Agenda-Zeitschrift: Über Meditation
Hans Jud, leitet das Institut Prisma in Weggis. Moderne Psychologie, uralte östliche und westliche Weisheitslehren sowie konkreter Alltag: dies sind die drei Säulen, mit denen Hans Jud arbeitet. 1. Wie respektive durch was/wen sind Sie zur Meditation gekommen? Ohne dass ich danach gesucht hätte, habe ich irgendwann in meiner Lehrzeit (ca. 1966) zufällig selber einen Trick herausgefunden, wie ich mich ganz leicht entspannen und leermachen kann und habe dabei die wohltuende Wirkung genossen. Während derTechnikumszeit habe ich mich dann den Yogis als «Versuchskaninchen» zur Verfügung gestellt - sie wollten körperliche und geistige Veränderungen nachmessen, vor und nach ihrer Einführung in die Meditationspraxis. Zu dieser Zeit hatte ich noch keine Ahnung von Esoterik - ich ging hin, weil meine Devise war (und heute noch ist): Du muss alles ausprobieren, sonst weisst du es nicht und kannst es nicht beurteilen! Bei diesen Messungen haben sie Hautwiderstand, Hirntätigkeit usw. mittels Schreiber aufgezeichnet. Sie konnten es sich nicht so recht erklären, wie meine ruhigen Kurven zustandekamen, obwohl sie mich noch nicht in ihre Praxis eingeführt hatten. Ich habe dabei einfach «meine» Technik angewendet. Regelmässige und gezielte Meditation praktiziere ich jedoch erst seit 1986 - vorher war es eigentlich eher ein Herum-Experimentieren ohne irgendeinen Gedanken an Selbstentfaltung usw. 2. Welche «Startschwierigkeiten» hatten Sie? Startschwierigkeiten hatte ich eigentlich keine. Die Schwierigkeiten kamen erst später, als es darum ging, Meditation regelmassig auszuüben. Ich will sagen: Die Technik der Meditation ist eines, das Durchhalten etwas anderes. Erste Erfolge werden zwar schon schnell spürbar, aber für die grösseren Früchte braucht es eben schon eine längere Reifezeit. Regelmässige Meditation verlangt eine gewisse Disziplin. Die Rückfahrkarte ins Paradies wird niemandem geschenkt, es nützt auch nichts, mit einem Yogi Polonaise zu machen - ich werde davon nicht erleuchtet; jeder muss seinen Weg selber antreten. Ich soll zwar Hilfen annehmen und anfordern, aber marschieren muss ich selber. Das Durchhalten ist auch heute noch manchmal hart - aber gerade dieses Überwinden der menschlichen Trägheit ist eine gute spirituelle Ubung, die letztendlich frei macht. Freiheit durch Zwang - sich zu überwinden! 3. Was hat sich Ihrer Meinung nach in Ihrem Leben geändert, seit Sie meditieren? Zunehmende Ausgeglichenheit und Konzentrationsfähigkeit - und vorallem Einsichten in das Leben allgemein. Durch unser hektisches Leben und unseren Hang zum Glauben an irgendwelche Dinge, ob Wissenschaft, Religionen oder sonst etwas, bleiben wir logischerweise gerade an all diesen Theorien und Modellen hängen - und verwechseln all diese Modelle oft mit der Wirklichkeit. Dies passiert unbewusst mit uns und ist der Normalfall. Mit fortschreitender Meditation, bei zunehmend ruhigem Geist, sieht man dann immer mehr das lllusionenhafte vieler dieser Anschauungen. Eine wichtige Einsicht ist z.B., dass wir zwar mit Modellen umgehen müssen, dass wir uns aber stets bewusst bleiben sollten, dass wir es hier mit Modellvorstellungen zu tun haben, die bestmöglichst die Wirklichkeit nachbilden sollen. Eine weitere wichtige Einsicht in diesem Zusammenhang ist, dass wir eigentlich stets Ausschau halten sollten, was gegen unser (momentan gutes) Modell resp. Vorstellung von der Wirklichkeit spricht, um es gegebenenfalls zu erweitern. Unser normales Verhalten läuft leider in eine andere Richtung: Wir versuchen (unbewusst) an unseren Modellen, Aussagen, Annahmen, Meinungen festzuhalten. Wir lieben Äusserungen, welche unsere Theorie bestätigen, verhärten uns so in längst überholten Ansichten und werden zum lebenden Denkmal. Freund ist derjenige, der unserer Meinung ist - Feind ist der, welcher Kritik an uns übt - Parteifreunde, Parteifeinde- Kriegsfreunde, Kriegsfeinde... Ist es nicht oft so, dass wir uns durch Bestätigungen noch mehr in unserer Position verhärten, währenddem Kritik an unserer Meinung uns eher zu einer erweiterten Ansicht bringen können? 4. Weshalb geben Sie Meditationskurse? Der rote Faden, der sich durch alle meine Seminare durchzieht, ist Bewusstwerdung. Will man Bewusstwerdung aktiv vorantreiben, so ist Meditation das A und das O und ist unerlässlich. Bewusstwerdung heisst, eine Unmenge solcher Einsichten aus Antwort 3 zu «erhalten». Immer mehr Einsicht, Durchblick, Übersicht. Bewusstwerdung heisst aber auch immer grössere Ent-Faltung des zuerst eingefalteten Potentials, heisst Ent-Wicklung der eigenen Verwicklung. Wir könnten es auch mit einem Puzzlespiel vergleichen: Die schon zusammengesetzten Puzzleteile stellen das dar, was wir von uns und vom «Leben schlechthin» schon wissen - das Ergänzen des Puzzlespieles zum ganzen Bild aus 1001 Teilen wäre dann der Prozess der Bewusstwerdung. 5. Was vermitteln Sie in Ihren Meditationskursen, und was möchten Sie Ihren Teilnehmern weitergeben? Nebst dem eigentlichen Erlernen von wirkungsvoller Meditation liegt mir viel am Aufzeigen von Hintergründen. Wir Westler wollen halt doch gerne wissen, was das alles soll und in welche Richtung uns die Übung bringt. Meditation ist ein Üben des Loslassens. Die Thematik des Meditations-Seminars dreht sich um die Fragen: «Wie stelle ich es an, zu mir zu finden und mehr aus mir zu leben? Was ist Meditation? Wozu Meditation? Welches sind die wesentliche Punkte der Meditation?» Der Seminarteilnehmer wird von Grund auf in die Meditations-Praxis eingeführt, so dass ihm die Vorgänge klar werden, er wird nach dem Seminar in der Lage sein, einfach und wirkungsvoll selbst zu meditieren und seine eigene Form zu finden. Wichtige Hintergründe werden aufgezeigt, so dass klar wird, was mit Meditation überwunden werden soll, und wohin sie letztendlich zielt - dadurch sollte der Kursteilnehmer in die Lage kommen, Wesentliches und Unwesentliches auf dem Meditations-Markt zu unterscheiden. Das Ziel ist erreicht, wenn der Teilnehmer ein «Stück Ruhe» vom Seminar mit nach Hause nimmt und den grössten Wunsch hegt, in Zukunft vermehrt die innere Ruhe zu pflegen und mehr auf sich zu hören - um dadurch das eigene Potential zur Entfaltung zu bringen. 6. Sollten Anfänger versuchen, während der Meditation alle Gedanken von sich zu weisen? Ich möchte es anderes formulieren: Ob Anfänger oder nicht - Meditation ist ein Üben des Loslassens allgemein. Dass dieses vielzitierte Wort loslassen gar nicht so leicht in die Praxis umzusetzen ist, erfährt vor allem der Meditierende, wenn es eben darum geht, aufkommenden Gedanken nicht nachzuhängen, aufkommende Gedanken «einfach loszulassen», wie man so schön sagt. Aber um genau diese Art und um diese Schwierigkeiten des Loslassens, des Freigebens des Sichnicht-Versteifens geht es eben letztendlich bei all unseren Ego-Aspekten. Weil unser Drankleben an Gedanken das gleiche Prinzip ist wie das Festhalten am Ego (auch wenn es uns selber schon lange auf die Nerven geht), können wir also in jeder Meditation bestens üben, frei zu bleiben, resp. uns zu befreien von den Zwängen des Egos. Beim «kleinen Loslassen» der Gedanken geht es also um etwas Grösseres, nämlich unser tiefes weltliche Ego zu überwinden. 7. Können Sie unseren Lesern ein oder zwei praktische Hinweise geben, wie man in der Meditation den Verstand «still» macht? Ein gutes Hilfsmittel, ein guter Konzentrations-«Gegenstand» ist unser Atem, (weil er immer da ist), den Geist zu beruhigen ist: Einfach den Atem beobachten, wie er kommt und geht, ohne ihn zu beeinflussen. Solange wir es schaffen, die Aufmerksamkeit auf den Atem zu lenken, solange entstehen auch keine Gedanken. Sobald wir merken, dass wir wieder einem Gedanken nachhängen (was oft passiert), lassen wir ihn los, lassen ihn gehen... wie eine vorüberziehende Wolke... immer wieder loslassen und zurück zum Atem. Mein Rat ist also nicht zu versuchen, den Verstand still zu «machen», sondern das Aufkommen der Gedanken gemäss Antwort 6 als eine Übung des Loslassens zu betrachten. Auch unser Leiden, das uns widerfährt, lässt sich letztendlich zurückführen auf unser Anhaften, auf Nicht-loslassen-können an irgendwelchen geistigen oder körperlichen Begebenheiten. Bei starker Unruhe empfehle ich: Die Aufmerksamkeit auf die Flamme einer Kerze zu richten und auch hier aufkommende Gedanken wie oben, loslassen und die Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Flamme richten. 8. Können wir unsere eigenen Fragen durch unsere täglichen Meditationen beantworten? Wenn ja, wie wissen wir, ob die Antwort wirklich vom Herzen oder von der Seele kommt und nicht vom Verstand? Es ist tatsächlich so, dass wir durch das Leermachen unseres Geistes zu vielen Einsichten kommen, welche durch unseren normalen, unruhigen Ego-behafteten Intellekt verhindert werden (siehe auch Antwort 3). Mit fortschreitender Praxis schwindet das Problem, diese Unterscheidung zu machen, ob die Antwort von Herzen oder «nur» vom Verstand kommt. Am Anfang jedoch ist es schwierig. Ich möchte es hier bei dem Hinweis belassen, dass es schon äusserst wertvoll ist, die Herkunft der Antwort zu hinterfragen und dabei zu merken, dass dies gar nicht immer leicht zu beantworten ist. Wird man sich der Problematik dieser Fragestellung richtig bewusst, dann weiss man schon sehr viel mehr als einige Esoteriker, welche jede innere Stimme naiv als Stimme des Hohen Selbst blind annehmen - und sich vielfach unter Zwang setzen, weil es eben eine niedere Stimme des Egos war. Sicher kann ich hier sagen, dass alle Hinweise, die irgendjemanden schaden würden (der Fragende inbegriffen), ihren Ursprung nicht im «Herzen» haben. Wobei hier schon wieder eine grosse Schwierigkeit auftritt, zu entscheiden, was mir schadet und was nicht - und zwar ganz klar. Hier ist für mich die Grenze des Geschriebenen erreicht... es dürfte ja nicht missverstanden werden... weil sonst derjenige, der es anders versteht, der falschen Stimme folgt und somit mit Sicherheit in die Irre geleitet wird! Hier ist die persönliche Kontaktmöglichkeit z.B. von einem Seminar von allergrössten Nutzen. Es gibt so viel Einwände und Unklarheiten an allen Ecken und Enden, dass in diesem Punkt nur in persönlichem Kontakt und/oder langer eigener Erfahrung zuverlässig Klarheit erzielt werden kann. Meditation hat nichts mit Religion zu tun (wie oft angenommen), sondern ist Schulung und Kultivierung von Konzentration, Achtsamkeit und innerer Ruhe; Meditation ist geistige Hygiene; Meditation ist aber auch ein Weg zur Einsicht. In unserem normalen Alltag werden wir zwangsläufig von der Hektik dieser oft überschäumenden Welt mitgerissen - oft finden wir kaum Zeit und Musse, auch nur etwas Abstand zwischen uns und der aufgebauschten Welt zu schaffen; so sind wir dauernd eingespannt in das Räderwerk des Müssens und Sollens usw. Hier ist Meditation eine grosse Hilfe: Sie hilft uns mit denkbar einfachen Mitteln auch in hektischen Zeiten wieder zu uns - und zu innerer Ruhe zu finden - und eine gesunde, heilsame Geisteshaltung zu kultivieren. Meditation regelmassig ausgeführt, bringt uns auch zu tiefen Ein-Sichten unseres Daseins, ob persönlich oder allgemein - sie verhilft uns zu Tiefe und Sinn: Lebenssinn. Sie ist wichtigstes Mittel auf unserem Weg zur Bewusstwerbung. Wer einmal angefangen hat, regelmassig zu meditieren, möchte es nicht mehr missen; Meditation gibt ihm quasi einen ruhigen Fixpunkt, um den er den Alltag mit Ruhe und Übersicht arrangieren kann. Meditation hebt uns nicht ab von dieser Welt, sondern gibt uns eine ruhige Tiefe, einen ruhigen Pol - IN UNS. Mein Wunsch wäre, dass alle den Zugang zur Meditation und dadurch zu sich finden möge. Beitrag aus Siehe auch Seminar: Meditation PRISMA - Esoterische Seminare, CH-6353 Weggis |